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Berlin

Welthospiztag in Berlin: Caritas-Chef sieht dringenden Handlungsbedarf


Versorgungslücke in Berlin
Hospizleiter: "Da fehlen einfach die Kapazitäten"

InterviewEin Interview von Niklas Bröckl

11.10.2025Lesedauer: 4 Min.
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Das Hospiz der Caritas in Berlin-Pankow (Archivbild): Der Leiter des Einrichtung spricht von einer Versorgungslücke. (Quelle: imago stock&people/imago)
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Ein Platz in einem Berliner Hospiz zu finden, kann schwierig sein. Anlässlich des Welthospiztages warnt der Caritas-Chef.

Der Bedarf an stationären Hospizplätzen in der Hauptstadt wächst weiter – doch die Kapazitäten sind begrenzt. In der Hospizeinrichtung der Caritas in Berlin-Pankow erhält nur jeder Zehnte einen Platz. Ihren Angaben zufolge bewerben sich jährlich 1.000 bis 1.200 Menschen dafür. Die Einrichtung kann aber nur 100 Menschen aufnehmen.

Tobias Neumann, Leiter des Caritas-Hospizes Berlin-Pankow, spricht im Interview mit t-online von einer Versorgungslücke. Er erklärt anlässlich des Welthospiztages am 11. Oktober, wie sie entsteht und warum für die Lösung nicht zwingend neue Hospize gebaut werden müssen.

t-online: In Ihrer Einrichtung kann nur jeder Zehnte, der sich anmeldet, einen Hospizplatz erhalten. Herr Neumann, wie erklären Sie sich die Versorgungslücke?

Tobias Neumann: Dabei muss man differenzieren. Ein Drittel der Anmeldungen sind sogenannte "Sicherheitsanmeldungen". Das heißt, die Menschen möchten gerne zu Hause versterben, melden sich aber an, um einen Plan B zu haben. Oft funktioniert das dann zu Hause und sie müssen den Platz nicht in Anspruch nehmen. Das zweite Drittel sind Menschen, die sich in mehreren Hospizen anmelden und woanders einen Platz finden. Dann gibt es aber das letzte Drittel. Das sind die, die unbedingt akut einen Hospizplatz benötigen, weil sie unterversorgt sind. Doch da reichen die Kapazitäten nicht aus.

Was sollte denn unternommen werden, um gerade für diese Menschen eine Unterbringung in einem Hospiz möglich zu machen?

Man könnte sagen, es gibt zu wenige Hospize. Bei dieser These bin ich aber zurückhaltend, weil ein Hospiz mehr ist als ein Gebäude oder eine Institution. Hospiz ist eine Haltung, die versucht, einen angemessenen und besonderen Umgang mit Menschen zu finden, die an ihrem Lebensende stehen.


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Hospiz ist eine Haltung.


Tobias neumann, Leiter Caritas-Hospiz


Dass wir Häuser bauen und diese gut ausstatten, ist nur ein Teil der Lösung. Wir müssen schauen, wo die Menschen sind, die sterben. Und das ist meist in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Das heißt, wir brauchen dort eine "hospizliche Haltung".

Das müssen Sie genauer erklären.

Es ist eine wichtige Überlegung, zunächst zu schauen, was in Krankenhäusern oder Pflegeheimen getan werden kann, um die Situation der Sterbenden zu verbessern. Die Einrichtungen könnten etwa eine Palliativstation eröffnen oder palliative Beratungen anbieten. Auch in Pflegeheimen gibt es trotz der teils schlechten Personalsituation viel Potenzial, um die Versorgung zu verbessern. In Heimen könnte man Pflegekräfte dazu befähigen, mit bestimmten Herausforderungen besser umzugehen, mit denen sterbende Menschen konfrontiert sind. Was wir unseren Auszubildenden zum Beispiel mitgeben, ist auch unter Zeitdruck, freundlich auf die Menschen zuzugehen. Es macht so viel aus, das kann man sich gar nicht vorstellen.

Tobias Neumann, Leiter des Caritas-Hospizes Pankow
Tobias Neumann, Leiter des Caritas-Hospizes Pankow (Quelle: Caritas)

Über die Person

Tobias Neumann ist Leiter des Caritas-Hospizes in
Berlin-Pankow. Er ist selbst ausgebildete Pflegefachkraft. Die Caritas betreibt zwei Hospize in Berlin. Darin werden jährlich rund 200 Menschen versorgt.

In einer Pressemitteilung bezeichnen Sie Hospize als "wichtige Ausbildungsstätte". Was lernen Azubis bei der Arbeit mit sterbenden Menschen noch so?

Sie lernen zum Beispiel, was im Angesicht des Todes wichtig wird. Also wie sich die Atmung verändert oder wie eine angemessene Schmerztherapie abläuft. Denn die meisten Menschen haben weniger Angst vor dem Tod, sondern vor dem Weg dahin. Das soll schmerzfrei und würdevoll ablaufen. Und da braucht es jemanden, der sich traut, der mit einem Arzt auf Augenhöhe argumentieren kann.

Gibt es einen Unterschied zu anderen Stationen?

Neben den rein fachlichen Kenntnissen lernen sie auch, wie man nichts macht. Also manchmal gibt es das Problem, dass Angehörige das Gefühl haben, sie müssten irgendwas machen, beispielsweise Essen oder Blumen mitbringen. Ihnen muss man klarmachen können, dass es wichtiger ist, einfach da zu sein. Wichtig ist ohnehin der Umgang mit Angehörigen und wie man über den Umgang mit dem Tod spricht.

Die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung sorgt aber dafür, dass weniger Azubis in die Hospize kommen. Warum ist das so?

Ich als ausgebildete Pflegefachkraft bin erst mal ein großer Fan der generalistischen Ausbildung. Aber vor der Einführung gehörte es dazu, dass die Azubis vier bis sechs Wochen in einem Hospiz ein Praktikum ableisten. Durch die generalistische Ausbildung fällt das weg. Das heißt, viele Pflegekräfte haben in ihrer Ausbildung keinen echten Kontakt zu Sterbenden. Und eine Pflegekraft, die keine Sterbenden versorgen kann, ist wie ein Elektriker, der nicht weiß, wie man eine Steckdose montiert. Durch den fehlenden Kontakt der Azubis zur Hospizarbeit gibt es dann auch nur noch wenige, die sich überhaupt dafür interessieren. Die Arbeitserfahrung im Hospiz ist eine Ressource, die leider bei dieser Form der Pflegeausbildung verloren geht.

Ein Pfleger hält die Hände einer Seniorin (Symbolbild): Einem Palliativarzt soll vor dem Berliner Landgericht der Prozess gemacht werden.
Ein Pfleger hält die Hände einer Seniorin (Symbolbild): Einem Palliativarzt soll vor dem Berliner Landgericht der Prozess gemacht werden. (Quelle: IMAGO/Zoonar.com/Robert Kneschke/imago-images-bilder)

Generalistische Pflegeausbildung

Im Januar 2020 wurde die generalistische Pflegeausbildung eingeführt. Diese befähigt die Auszubildenden, Menschen aller Altersstufen in allen Versorgungsbereichen zu pflegen. Erst nach dem Abschluss entscheiden sich die Kräfte für eine Fachrichtung.

Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband hat für den diesjährigen Welthospiztag das Motto "Heimat für alle" gewählt. Was bedeutet das?

Bei dem Thema Hospiz geht es immer auch um Vielfalt und Integration. Wir wollen als Hospiz offen für alle sein. Auch für alle Menschen und benachteiligte Gruppen, die sonst einen schwierigen Zugang zum normalen Hilfesystem haben. Für Menschen, die Hemmungen haben oder nicht wissen, wo es Hilfe gibt. Unabhängig von Person und Herkunft wollen wir die bestmögliche Heimat bieten.

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Was bedeutet die Arbeit mit sterbenden Menschen für Sie persönlich?

Ich sehe das als Aufgabe, den Menschen einen würdevollen und schmerzfreien Weg in den Tod zu bereiten. Der Mensch soll von seiner Familie oder den Menschen, die ihm wichtig sind, begleitet werden. Wenn das klappt, dann bin ich sehr zufrieden. Das Team und ich bewegen uns aber in einem Spannungsverhältnis. Das eine Extrem ist, wenn einen das Thema und die Arbeit ganz kaltlässt. Das andere Extrem wäre, wenn ich selbst immer trauere und mitbetroffen bin. Man versucht, sich irgendwo dazwischen einzuordnen. Und das muss das Team in der Gesamtheit hinbekommen.

Verwendete Quellen
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