berlin.t-online - Nachrichten für Berlin
Such Icon
berlin.t-online - Nachrichten für Berlin
Such IconE-Mail IconMenü Icon


Berlin

„Nie wieder ist jetzt“? Berliner SPD-Abgeordneter spricht von Versagen


Zwei Jahre nach Hamas-Angriff
Berlin gedenkt – und schweigt? Scharfe Kritik zum Jahrestag

Von t-online, dpa, jon

07.10.2025Lesedauer: 3 Min.
Israelische Flagge auf dem Brandenburger Tor (Archivbild): Auch in diesem Jahr wird das Brandenburger Tor wieder angestrahlt.Vergrößern des Bildes
Israelische Flagge auf dem Brandenburger Tor (Archivbild): Auch in diesem Jahr wird das Brandenburger Tor wieder angestrahlt. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
News folgen

Berlin gedenkt der Opfer des Hamas-Terrors. Doch ein SPD-Abgeordneter erhebt schwere Vorwürfe. Was aus dem Versprechen "Nie wieder ist jetzt" wurde.

Mit Gedenkveranstaltungen und einer Projektion am Brandenburger Tor erinnert Berlin am Dienstag an den Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel vor zwei Jahren. Doch was als "Nie wieder ist jetzt" beschworen wurde, hat sich nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Alexander Freier-Winterwerb in eine bittere Realität verwandelt: ein gebrochenes Versprechen.

Am 7. Oktober 2023 töteten Terroristen bei ihrem Überfall mehr als 1.200 Menschen und entführten Geiseln. Zwei Jahre nach dem Angriff ist jüdisches Leben in Berlin kaum noch öffentlich sichtbar. "Keine jüdischen Kinder mehr in öffentlichen Kitas, Grundschulen oder weiterführenden Schulen, Bedrohung und fehlender Schutz an Universitäten – von der Kita bis zur Synagoge Hochsicherheitsbereich. Wie unvorstellbar ist es, dass man kleine Kinder mit schusssicherem Glas und bewaffneten Sicherheitskräften schützen muss?", erklärt Freier-Winterwerb gegenüber t-online. "Das ist kein Zustand, das ist ein moralischer Offenbarungseid für diese Stadt."

Polizei rät Juden, keine Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen

Die Polizei rate Jüdinnen und Juden, das Tragen einer Kippa in der Öffentlichkeit zu meiden, keine hebräische Schrift zu zeigen, nicht über Israel oder das Jüdischsein zu sprechen. Akteure aus der Kulturszene versagten jüdischen Menschen die Solidarität, ebenso Teile der queeren Szene, säkulare jüdische Vereine würden im Stich gelassen, und selbst langjährige Partnerorganisationen könnten kaum solidarisch sein, weil sie die Sicherheitsaufwand und -kosten nicht stemmen könnten.

"Fast jeden Tag wird auf Berlins Straßen Hass verbreitet, jeden Tag werden Jüdinnen und Juden bedroht, Wohnungen markiert, das Existenzrecht Israels infrage gestellt. Jeden Tag müssen wir mit dem nächsten Angriff rechnen. Und wenn Juden sterben oder Israel angegriffen wird, höre ich das Freudenfeuerwerk aus der entfernteren Nachbarschaft. Was sagt das über uns?", fragt Freier-Winterwerb.

Der Hass komme nicht nur aus einer Richtung, sondern werde von Islamisten geschürt, von Rechtsradikalen bejubelt und von Teilen der politischen Linken relativiert. "Die politische Linke ist in Teilen zum Sammelbecken antisemitischer Milieus geworden, in denen man Wahlen und Mandate nicht trotz, sondern wegen antisemitischer Haltungen gewinnt", sagt der SPD-Politiker. Rechtsradikale, die immer vom "importierten Problem" redeten, verschwiegen, dass der deutsche Antisemitismus keine neue Erfindung sei, sondern eine viele Jahrhunderte alte. "Wir haben das Problem nicht importiert, wir pflegen es selbst."

Viele Juden leben in Angst und überlegen, Deutschland zu verlassen

Viele Jüdinnen und Juden lebten deshalb weiter in Angst und überlegten, Deutschland zu verlassen. "An der Lebenswirklichkeit jüdischer Menschen erkennt man den Zustand unserer Gesellschaft. Und dieser Zustand ist alarmierend", sagt Freier-Winterwerb. "Wenn wir zulassen, dass Jüdinnen und Juden erneut aus Angst um ihr Leben das Land verlassen, dann haben wir als Gesellschaft versagt."

"Nie wieder ist jetzt" – das war das große Versprechen. Doch es wurde gebrochen. Berlin brauche den Aufstand der Anständigen und mehr Anstand bei den Zuständigen. "Wenn das Versprechen von 'Nie wieder ist jetzt' noch gelten soll, darf es nicht länger in Sonntagsreden erstarren, sondern muss sich im Handeln zeigen – in Gesetzen, Schulen, Kultur und im täglichen Mut der Verantwortlichen", betont Freier-Winterwerb. "Noch ist Zeit, das Versprechen einzulösen."

"Bring them home now" wird auf das Brandenburger Tor projiziert

Am Dienstagabend werden die Worte "Bring them home now" auf das Brandenburger Tor projiziert – als Forderung, die Geiseln freizulassen, die sich noch immer in der Gewalt der Terrororganisation befinden. Bereits am frühen Morgen werden am Brandenburger Tor die Namen der mehr als 1.200 Todesopfer verlesen. Später eröffnet Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) eine Ausstellung im Flughafengebäude Tempelhof, die den Angriff der Terroristen auf das Nova-Musikfestival rekonstruiert. Abends ist am Berliner Bebelplatz eine Mahnwache gegen Antisemitismus geplant. Zum zweiten Jahrestag werden in ganz Deutschland Flaggen auf halbmast wehen.

Der Gedenktag wird von rund 1.400 Polizisten begleitet. "Mein Dank gilt denjenigen, die dieses Versprechen Tag für Tag verteidigen – den Beamtinnen und Beamten unserer Polizei und Sicherheitsbehörden. Sie halten den Kopf hin, schützen jüdische Einrichtungen, Kinder und Familien – und damit auch unsere Demokratie", sagt Freier-Winterwerb. "Ihnen gebührt nicht nur Dank, sondern auch Respekt, bessere Ausstattung und politische Rückendeckung."

Aufrufe für pro-palästinensische und anti-israelische Demos

Die Polizei will für Sicherheit bei Andachten und Gedenkveranstaltungen ebenso wie bei möglicherweise problematischen Demonstrationen sorgen. Man sei auf alles vorbereitet, hieß es. Es gebe zwar keine konkreten Hinweise auf Störungen, aber die Polizei rechne durchaus mit spontanen Demonstrationen und Aktionen.

Im Internet gibt es Aufrufe für propalästinensische und antiisraelische Demonstrationen und Aktionen. Am Abend um 18 Uhr ist eine Kundgebung zum Krieg mit Zehntausenden Toten in Gaza auf dem Alexanderplatz angekündigt mit dem Titel: "Stoppt den Völkermord". Angemeldet sind 150 Teilnehmer.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Aussagen des Berliner SPD-Abgeordneten Alexander Freier-Winterwerb
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...




Telekom